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Schlumberger Fakten
Ausgabe 03/2022
Was kommt nach der Bärenmarktrallye?
Anfang Dezember endete eine beeindruckende Aufwärtsbewegung insbesondere am europäischen, aber auch am US-Aktienmarkt. In Europa beflügelten die Erfolge der ukrainischen Armee, die (noch) hohen Gasfüllstände und die fallenden Rohstoffpreise und Frachtraten die Aktienphantasie. Die erwartete Rezession verschiebt sich wegen der noch abzuarbeitenden hohen Auftragsbestände ins neue Jahr. Und schließlich waren viele US-Hedgefonds zur Eindeckung bei ihren historisch hohen Leerverkäufen in europäischen Aktien gezwungen. So überwanden die europäischen Märkte ihre Abwärtstrends und die 200-Tagelinien. Auch die US-Märkte S&P500 und NASDAQ zeigten eine beeindruckende Rallye, getrieben von leicht fallenden Inflationsraten, ohne allerdings Abwärtstrends und 200-Tagelinien überwinden zu können. Solche heftigen Bärenmarktrallyes sind typisch für Baissephasen am Aktienmarkt.

Was macht uns so skeptisch für die Entwicklung der nächsten 6 Monate?
In den USA stoppte die Notenbank die Euphorie, die auf die fallenden Inflationsraten folgte. Die FED machte klar, dass sie die Leitzinsen noch mindestens bis auf 5% erhöhen wird und das, obgleich die US-Inflation, vor allem aufgrund von statistischen Basiseffekten noch weiter sinken wird und sich die Anzeichen für eine weitere Abkühlung der Wirtschaft eher verstärken. Die Einkaufsmanagerindizes als Frühindikatoren zeigen in den USA ebenso wie in Europa eine kommende Rezession an. Der US-Immobilienmarkt befindet sich wegen der drastischen Zinserhöhungen in einem veritablen Abschwung. Der private Konsum leidet zunehmend unter der historisch niedrigen Sparquote von 2,3%. Die extrem inverse Zinskurve ist in den USA die Stärkste seit über 40 Jahren und ein relativ zuverlässiger Rezessionsindikator. Auch die stagnierenden Geldmengenaggregate in den USA weisen auf eine schwache Konjunktur und damit auf eine Liquiditätsverknappung für die Kapitalmärkte hin. Dazu trägt auch der monatliche Abbau der Anleihebestände der US-Notenbank bei (Quantitative Tightening). Die FED machte auch klar, dass sie eine erste Zinssenkung in 2023, die der Markt bis zuletzt eingepreist hatte, für eher unwahrscheinlich hält. Denkbar wäre sie nur bei einer starken Rezession, die man sich im Interesse der Aktienmärkte aber nicht wünschen sollte.
Denn damit sind wir beim entscheidenden Problem: Dem Rückgang der Unternehmensgewinne!
Analystenschätzungen von über 5% für die US-Unternehmen erscheinen aktuell viel zu optimistisch. Realistischer ist die Zahl mit einem negativen Vorzeichen, nicht zuletzt wegen der kräftig steigenden Lohnstückkosten. Bei sinkenden Gewinnen sieht der US-Aktienmarkt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von um die 20 keineswegs günstig aus. In der Vergangenheit erreichte der Markt seinen Tiefpunkt erst bei etwas über 10. Geht man davon aus, dass die letzte Leitzinserhöhung im Frühjahr 2023 erfolgt, ist die erste Senkung erst in 2024 zu erwarten. Damit wird der US-Aktienmarkt bis zum 2. Halbjahr 2023 eher mit Turbulenzen zu kämpfen haben, die ein Unterschreiten der Tiefs von 2022 in den Bereich des Möglichen rücken.
Problematisch für den Aktienmarkt ist auch der Umstand, dass bei sinkender Inflation und schwächerer Konjunktur der Rentenmarkt zu einer attraktiven Alternative wird.
In Europa sind die Konjunktur- und Gewinnerwartungen deutlich schlechter als in den USA. Dies hat sich jedoch bereits in der Bewertung niedergeschlagen. Die EZB wird im Interesse des Zusammenhaltens der Währungsunion die Leitzinsen vermutlich nur bis auf 3,5% erhöhen. Auch ist ab Mai geplant, lediglich 15 Mrd. EUR monatlich an fällig werdenden Anleihen nicht mehr zu reinvestieren. Zum Vergleich: Die FED reduziert ihre Bilanzsumme durch Nettoverkäufe um monatlich 95 Mrd. USD. Insofern ist die Liquiditätssituation der europäischen Kapitalmärkte deutlich günstiger als in den USA. Auch die Fiskalpolitik, insbesondere über die zahlreichen Preisbremsen, ist deutlich offensiver als in den USA und wird den Konsum stützen.
Auch die Neudefinition des Coronavirus als Coronaerkältung in China könnte der europäischen Konjunktur im nächsten Jahr helfen.
Um den Preis hoher Todesfallzahlen plant die chinesische Führung trotz der schlechten Impfsituation viele Coronabeschränkungen aufzuheben. Dies sollte die chinesische Konjunktur wieder etwas beflügeln, wovon vor allem die deutsche Exportwirtschaft überproportional profitieren sollte.
Insofern ist zu erwarten, dass die europäischen Märkte den US-Markt in 2023 erneut outperformen, zumal die US-Währung ihren Höhepunkt überschritten hat und tendenziell abwerten sollte. Auf Sektorebene werden weiter Rüstungsunternehmen von der „Zeitenwende“ profitieren. Die Energieunternehmen als Topperformer 2022 werden vermutlich auch im nächsten Jahr gut laufen. Trotz der deutlich gesunkenen Ölpreise werden diese Unternehmen auch wegen geringer Investitionsausgaben weiterhin hohe Gewinne ausweisen. Zudem sind sie in den Portfolios gemäß Bank of Amerika-Survey bereits wieder leicht untergewichtet.
Die erneuerbaren Energien werden nicht nur in Europa, sondern auch in den USA durch den „Inflation Reduction Act“ stark gefördert. Anstatt wie viele angebliche ESG-Fonds in überteuerte Unternehmen in diesem Segment zu investieren, lohnt sich der Blick auf die für die Energiewende notwendigen Metalle.
Die Produzenten dieser Grundstoffe werden am stärksten profitieren, zumal viele dieser Firmen in Erwartung einer Rezession in den letzten Monaten stark gelitten haben. Banken und Versicherungen werden weiter von den anhaltend hohen Zinsen unterstützt. Die Verlierer des Jahres 2022, die Technologieunternehmen in den USA und hier insbesondere die wachstumsstarken Unprofitablen, werden weiter unter den hohen Zinsen leiden. Auch der extrem hohe Dollarkurs wird sich erst mit Verzögerung in den Bilanzen niederschlagen. Die zu erwartende Rezession wird in 2023 die Gewinne belasten und weiteren Personalabbau bei diesen Unternehmen erforderlich machen.
Positiv für die Aktienmärkte ist aus antizyklischer Sicht lediglich die schlechte Stimmung vor allem bei institutionellen Investoren, die schwachen Markterwartungen bei den Strategen der Investmentbanken und die laut Umfrage der Bank of Amerika hohen Barquoten der Investoren.
Alles in allem ist auch in 2023 bei sinkender Inflation, fallenden Gewinnen, sinkenden Kapitalmarktzinsen und einer schwächeren US-Währung mit hoher Volatilität zu rechnen. Erst wenn die Rezession tatsächlich gekommen ist, die Gewinne einbrechen und der Bär auf dem Parkett tobt, könnte in Richtung 2. Halbjahr 2023 das antizyklische Signal zum Einstieg gekommen sein.
Frohe Weihnachten und ein dennoch erfolgreiches 2023 wünscht
Manfred Schlumberger
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