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Schlumberger Fakten 02/2023
Ausgabe 02/2023
Sell in May...
Diese berühmte Börsenweisheit stimmt nur, wenn sich der Aktienmarkt in einem Baissejahr befindet. Das weiß man jedoch erst am Jahresende. Aktuell weist der S&P500 eine positive Wertentwicklung von über 7% seit Jahresanfang auf, was bekanntlich bereits dem historischen Jahresdurchschnitt entspricht. Da uns diese Börsenweisheit nicht weiterhilft, wollen wir eine Bilanz mit allen positiven und negativen Einflussfaktoren aufstellen und dann eine Einschätzung wagen.
Monetäre Lage
Seit der letzten Woche hat die FED binnen 14 Monaten den Leitzins um 5 Prozentpunkte auf 5,25% erhöht. Das ist ein historischer Rekord und bei einem solchen Zinsniveau hat in den USA in der Regel eine Rezession begonnen. Auch die extreme Inversion der Zinskurve deutet auf den Beginn einer Rezession spätestens im 2. Halbjahr hin. Nachdem die FED zur Bankenrettung blitzschnell wieder 400 Mrd. USD Liquidität ins Finanzsystem gepumpt hatte, ist sie zwischenzeitlich wieder zu ihrem Quantitative Tightening mit monatlich 95 Mrd. USD zurückgekehrt. Auch in vielen Ländern Europas ist die Zinskurve invers und die EZB beabsichtigt sogar weitere Leitzinserhöhungen. Zudem hat sie eines ihrer beiden Anleihekaufprogramme (APP) aktuell gestoppt. Die Geldmengenaggregate sowohl in den USA wie in Europa schrumpfen seit längerem und weisen ebenfalls auf eine bevorstehende Rezession und eine Aktienbaisse hin.
Krise bei US-Banken und Gewerbeimmobilien
Mehr und mehr Regionalbanken in den USA leiden unter massiven Abflüssen von Einlagegeldern und werden von Hedgefonds mit riesigen Leerverkäufen attackiert. Die Regionalbanken sind laut Bank of America für 70% der Kredite bei Gewerbeimmobilien verantwortlich. Dummerweise steht gerade dieser Markt massiv unter Druck. Allein 2023 werden noch 450 Mrd. USD Kredite in diesem Segment fällig. Wegen des Trends zum Homeoffice stehen in Städten wie San Francisco bereits 30% Büroimmobilien leer. Die Preise dieser Immobilien sind seit ihren Höchstständen im Schnitt 25% gefallen. Da die Regionalbanken über 600 Mrd. USD an nichtrealisierten Verlusten aus Wertpapieren in den Bilanzen aufweisen und gleichzeitig massive Einlagenabflüsse zu beklagen haben, ist in diesem Segment eine Kreditklemme unausweichlich. Selbst Charlie Munger, der in seinen 99 Lebensjahren viel erlebt hat, wird beim Blick auf den US-Gewerbeimmobilienmarkt angst und bange. Auch in Deutschland wird einem angesichts des gleichen Trends zum Homeoffice und speziell in Frankfurt beim Blick auf die vielen neuen Bürohochhäuser mulmig. Eine schnelle Umwandlung in Wohnimmobilien ist leider sehr kostspielig und selbst da wo sie möglich ist wären die Preise dieser Immobilien für Normalsterbliche unerschwinglich. In Deutschland muss man sich vermutlich weniger Sorgen um die Banken machen. Sorgen sollten sich besser die Investoren der in Deutschland beliebten Immobilienfonds machen.
Stagnation oder bald Rezession?
Zahlreiche Frühindikatoren in den USA und Europa weisen vor allem im Industriesektor auf eine konjunkturelle Abkühlung hin. In den USA vernebelt vielen Konjunkturpropheten die niedrige Arbeitslosigkeit von 3,4% den Blick auf die Realität. Vollbeschäftigung hat jedoch in den USA wie Europa primär strukturelle demographische Gründe. Die gewaltigen staatlichen Transfers an die Privathaushalte im Zuge der Pandemie und die hohen Lohnsteigerungen halten den privaten Konsum immer noch am Laufen und stabilisieren den Dienstleistungssektor. Der Preis für diese Politik ist eine immenser Anstieg der Staatsverschuldung. Und so steht in den USA schon im Juni wieder ein Bruch der Schuldenobergrenze von 31,4 Bio. USD an. In der Regel gehört es in den USA zur Staatsfolklore, im letzten Moment die Obergrenze wieder anzuheben. Vermutlich wird das auch dieses Mal wieder der Fall sein. Im einstigen Musterland Deutschland wird seit Corona jede Krise, auch der Klimawandel, mit höherer Staatsverschuldung bekämpft. Man könnte fast meinen wir wären die „letzte Generation“, für die es bereits morgen keinen (Kleb-)Stoff mehr gibt! Hilfreich für Europa ist die Renaissance der chinesischen Konjunktur, die 2023 wieder auf ein Wachstum zwischen 4 und 5% zusteuert. Allerdings fokussiert sich das Wachstum auf den Binnenkonsum und es ist fraglich, ob die deutsche Wirtschaft hiervon wie in der Vergangenheit stark profitieren kann. Bei E-Autos ist die deutsche Automobilindustrie bereits heute der chinesischen Konkurrenz nicht mehr gewachsen. Konjunkturell droht diesseits und jenseits des Atlantiks noch in diesem Jahr ein Abrutschen von der Stagnation in die Rezession. Die Gewinne der US-Unternehmen sind im 1. Quartal im Schnitt 5% gegenüber dem Vorjahr gefallen. Im Jahresverlauf wird immer noch Nullwachstum erwartet. Bei einer Rezession dürfte diese Marke jedoch unterschritten werden.
Aktuelle Hausse bei geringer Marktbreite
Trotz aller dieser Probleme steigen die Aktienkurse an der „Sorgenmauer“ empor. Misstrauisch macht jedoch die historisch extrem niedrige Marktbreite in den USA. Nur 8 „Big Tech“-Firmen von 500 S&P-Unternehmen haben den Index auf über 7% gehoben, der Rest liegt seit Jahresanfang im negativen Bereich. Besser als erwartete Umsatz- und Gewinnzahlen, die Euphorie um „ChatGPT“ und die Hoffnung auf bald wieder sinkende Zinsen haben die marktbeherrschenden Technologie-Unternehmen, die wieder fast 22% am S&P500 ausmachen, auf hohe Kurs- und damit leider auch Bewertungsniveaus gehoben. In Europa und vor allem in Deutschland ist die Bewertung wesentlich günstiger. Blickt man auf den hohen Anteil der „billigen“ Automobilwerte im DAX, sollte man jedoch bedenken, dass diese Bewertung lediglich einen Hinweis auf den Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gibt.
Schlechte Stimmung
Bekanntlich stirbt die Hausse stets in Euphorie. Davon kann jedoch aktuell nicht die Rede sein. Vor allem institutionelle Anleger sind eher negativ gestimmt und viele Hedgefonds mit Leerverkäufen unterwegs. Private Investoren sind tendenziell etwas positiver gestimmt. Insgesamt passt jedoch die faktisch starke Positionierung an den Aktienmärkten nicht ganz zur eher negativen Stimmungslage, zumal die Rentenmärkte seit langem wieder eine attraktive Alternative bieten.
Traditionell steigen in den USA am Ende eines Zinserhöhungszyklus die Aktienkurse. Dieses Phänomen tritt jedoch nicht in einem inflationären Umfeld wie heute auf. Der Markt hofft implizit bereits auf erste Zinssenkungen im 2. Halbjahr. Die erscheinen jedoch nur realistisch für den Fall einer drohenden heftigen Finanzkrise, begleitet von einer tiefen Rezession. Dieses Szenario erscheint jedoch selbst für den Fall einer noch offensiveren Fiskalpolitik und einer erneuten Geldflutung durch die Notenbanken wenig attraktiv für die Aktienmärkte.
Vielleicht droht uns eine größere Korrektur erst dann, wenn die Aktienkurse weiter steigen, der DAX neue historische Höhen erklimmt und die letzten Bären ins Lager der Ochsen gewechselt sind.
Dennoch kann es nicht schaden, etwas Cash auf die Seite zu legen für den Fall möglicher antizyklischer Einstiegsgelegenheiten!
Manfred Schlumberger
10.05.2023
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