- Dr. Manfred Schlumberger
Schlumberger Fakten - Ausgabe 02/2022
Im Bärenmarkt
Seit dem Frühjahr befinden wir uns an den meisten internationalen Aktienbörsen in einem Bärenmarkt (Baisse). Ein Bärenmarkt wird definiert als ein Markt, der um mehr als 20% von einem vorherigen Hoch fällt. Unterbrochen werden Bärenmärkte traditionell von heftigen Gegenbewegungen, die man als „Bärenmarktrallyes“ bezeichnet. Im Sommer stieg der DAX von einem temporären Tief aus um über 12%, der US-Technologieindex gar um mehr als 20%, um dann wieder in sich zusammenzufallen. Das ist keine ungewöhnliche Entwicklung! In der grausamen dreijährigen Internetbaisse von 2000 bis 2003 realisierte die US-Technologiebörse sieben Bärenmarktrallyes von mehr als 20% von temporären Tiefs. Dennoch fiel der Index in diesem Zeitraum um weit mehr als 70%.

Die Kapitalmarkteinbrüche im Frühjahr resultierten aus dem dramatischen Anstieg der Inflationsraten in den USA und Europa, die die Notenbanken trotz ursprünglicher Fehleinschätzung und hartnäckiger Leugnung schließlich zu ersten Leitzinserhöhungen zwangen. Vor dem Hintergrund, dass die den Verbraucherpreisen vorlaufenden Erzeugerpreise aktuell in Europa um über 45% steigen, ist diese Vorgehensweise nachvollziehbar, auch wenn man aktuell den Eindruck gewinnt, dass die Notenbanken mit ihrem „Konvertiteneifer“ von ihrem Versagen bei der Inflationseinschätzung ablenken wollen. Notwendig ist es jedoch, die sich selbst verstärkenden Inflationserwartungen zu brechen.
Ein Großteil des Preisanstiegs hat jedoch mit Angebotsproblemen an den Energiemärkten, aber auch mit Lieferkettenstörungen zu tun. Insofern ist trotz Zinserhöhungen nicht mit schnellen Rückgängen bei den Inflationsraten zu rechnen. Zumindest die USA scheint jedoch den Höhepunkt der inflationären Beschleunigung bereits erreicht zu haben, obgleich ein schneller Rückgang auf die Ausgangsniveaus ausgeschlossen werden kann. Zinssteigerungen belasten zunächst die Nachfrageseite und verstärken so die bereits absehbaren rezessiven Wirtschaftstendenzen. Die konjunkturellen Frühindikatoren zeigen bereits für die USA und Europa eine wirtschaftliche Abkühlung an. Während die USA noch an einer Rezession vorbeischrammen kann, ist sie jedoch in Europa wegen der ausbleibenden russischen Gaslieferungen nicht mehr zu vermeiden.
Für die Börse bedeutet dies, dass die Gewinne der Unternehmen fallen werden. Aktuell schätzen die Analysten Anstiege um die 5% für dieses und das nächste Jahr. Bei einer Rezession sind diese Prognosen obsolet. Viele Unternehmen müssen sogar mit existenzbedrohenden „Über-Verlusten“ rechnen. Auch die Zahl der Insolvenzen steigt bereits rapide an. Trotz „Sonderkonjunktur“ zur Zeit der coronabedingten „Über-Nachfrage“ hat es mit Hakle sogar einen Toilettenpapierhersteller erwischt. Mit sinkenden Gewinnerwartungen steigen die Bewertungen an den Aktienmärkten. Nur mit Kursrückgängen lassen sie sich wieder auf attraktive Kaufniveaus zurückführen.
Entscheidend für die Aktienmärkte ist jedoch neben der Verschlechterung der fundamentalen Situation der Unternehmen die Liquiditätsversorgung. Neben den steigenden Zinsen reduzieren die sinkenden Anleihekäufe der US-Notenbank die Überschussliquidität für die Kapitalmärkte in dramatischer Weise. Lediglich in Europa verweigert die EZB eine Verringerung der Anleihekäufe und stellt weiterhin ausreichend Liquidität zur Verfügung. Doch angesichts der noch unabsehbaren Folgen des brutalen Energiepreisanstiegs für die europäischen Volkswirtschaften und der zunehmenden Eskalation des Ukrainekriegs will kaum jemand in Europa investieren. Seit über sechs Monaten verlassen die Investoren den europäischen Markt in Scharen und fliehen in die USA. Am deutlichsten lässt sich dieses Phänomen an der Kursentwicklung des Euros gegenüber dem US-Dollar ablesen.
Was würde für die nächste Bärenmarktrallye sprechen? In der Regel eine schlechte Stimmungslage! Die haben wir und die kann bei temporärem Ausbleiben schlechter Nachrichten jederzeit zu heftigen Aufwärtsbewegungen führen. Betrachtet man in Summe die Kapitalflüsse in den USA und Europa, so erkennt man, dass die Aktienmärkte insgesamt kein Volumen verloren haben. Denn während institutionelle Investoren Aktien netto verkauft haben, haben Private und Unternehmen über Aktienrückkäufe diese Abflüsse wieder neutralisiert. Dies lässt nur vorübergehende Kurssteigerungen erwarten, die aus einer extrem negativen Stimmungslage resultieren, solange sich bei den fundamentalen und monetären Faktoren keine Trendwende abzeichnet. Für eine Trendwende müsste der Markt zur Überzeugung kommen, dass die Zentralbanken auf Sicht der nächsten drei bis sechs Monate vor ersten Zinssenkungen stehen. Angesichts der hartnäckig hohen Inflationsraten könnte diese Erwartung unrealistisch sein. Die FED selbst will die Leitzinsen noch bis auf 4,6% erhöhen und frühestens in 2024 senken. Angesichts der totalen Fehleinschätzung der Inflation sind jedoch Zweifel an ihrer Verlässlichkeit erlaubt.
Was für eine Trendwende überdies nötig ist, ist neben einem hohen Pessimismus auch eine tatsächliche Kapitulation der Privatanleger. Die fehlt jedoch komplett!
Gerade die junge und unerfahrene Anlegergeneration, die in den letzten Jahren nicht nur an die „Krypto“-, sondern auch an die Aktienbörse gelangt ist, hat noch nicht kapituliert. Cathie Woods „ARK Innovation“-Fonds hat in diesem Jahr trotz Verlusten von 50% eine Milliarde Euro Neugelder eingesammelt. Im August hat sie jedoch bereits 10% ihres Fondsvolumens wieder verloren. Insofern scheint hier die Stimmung langsam zu kippen. Bis zu einem attraktiven antizyklischen Einstieg droht jedoch noch ein sehr schmerzhafter Kursverfall.
Fazit: Wir sind im Bärenmarkt und der ist gekommen, um noch eine Weile zu bleiben!
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